„Ob wir die Kanzlerin treffen, wenn wir im Bundeskanzleramt sind? Wie die Stimmung wohl ist, so kurz nach den Wahlen? Habt ihr das mit der Demonstration vor der Wahlparty der AfD in den Nachrichten gesehen?“, raunte es am 25. September 2017 durch die Busse, als sich der elfte Jahrgang der Paul-Gerhardt-Schule Dassel auf den Weg nach Berlin machte. Aufgeregt waren die Schülerinnen und Schüler schon Wochen zuvor, doch die am Tag zuvor stattgefundene Bundestagswahl sorgte für Hochspannung. 

Die Fahrt wurde von Manfred Braun organisiert. Wie im Vorjahr gelang es dem Koordinator auch dieses Mal durch wohl geplante Führungen und Vorträge den Schülerinnen und Schülern einen facettenreichen Einblick in die Bundeshauptstadt zu geben. So sollte Berlin nicht nur als Hauptstadt gegenwärtiger Politik gezeigt, sondern auch als Symbol deutscher Geschichte wahrgenommen werden. 

So bekamen die Jugendlichen durch eine abwechslungsreiche Führung einen Eindruck vom Bundestag. Nicht nur der Gang durch die Kuppel, auch Abläufe und Strukturen des hohen Hauses standen hierbei im Fokus. 

Der Arbeitsplatz der Bundeskanzlerin, das Bundeskanzleramt, wurde von den Schülerinnen und Schülern auch besucht. Neben Informationen zu den Arbeitsabläufen der Regierungschefin stand die Architektur des Gebäudes, die von den Jugendlichen bewundert wurde, im Zentrum des Rundgangs. Interessiert wurden daher die verschiedenen Kunstgegenstände, Gastgeschenke internationaler Politiker und die Galerie der ehemaligen Bundeskanzler aufgenommen. Das Ergebnis der aktuellen Bundestagswahl wurde in diesen Institutionen besonders greifbar: Die Verteilung der einzelnen Sitzungsräume im Bundestag wird überarbeitet, die Sitzplätze im Plenarsaal müssen verändert werden und die amtierende Bundeskanzlerin befindet sich in Fraktionssitzungen.

Eine Führung in der Gedenkstätte „Deutscher Widerstand“ führte den Schülerinnen und Schülern nicht nur die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands vor Augen, sondern zeigte ihnen auch unterschiedliche Gruppen des deutschen Widerstandes: von Jugendbewegungen über kirchlichen Widerstand bis hin zur Gruppierung um Graf Schenk von Stauffenberg und dem missglückten Attentat auf Hitler in der Operation „Walküre“.

Der Besuch des Jüdischen Museums stieß bei den Schülerinnen und Schülern auf reges Interesse. Besonders war hier vor allem, dass neben der Thematisierung des Holocausts vor allem die Geschichte der Juden in Deutschland, von der Spätantike bis in die Neuzeit, thematisiert wurde.

So erfuhren die Schülerinnen und Schüler vieles, was ihnen über die Geschichte des Judentums im eigenen Land, völlig unbekannt war. Durch einen Workshop konnten sie hier selbst aktiv werden, Kenntnisse anwenden und neues Wissen erlangen. Die Architektur des Gebäudes war hier ein zusätzliches Highlight. Daniel Liebeskind plante den Bau so, dass die Bauweise den Verlauf der Dramatik der jüdischen Geschichte in Deutschland, thematisch begleitet.

Der abschließende Besuch des Stasigefängnisses „Hohenschönhausen“, durch das die Jugendlichen von ehemaligen Inhaftierten geführt wurden, zeigte neben den unwürdigen Haftbedingungen die Schrecken der kommunistischen Diktatur am Beispiel der Vorgehensweisen der Staatssicherheit (Stasi).

Die einzelnen sieben Leistungskurse unternahmen neben dem Rahmenprogramm auch eigene, zum Inhalt der Kurse passende Exkursionen. So joggte der Sportleistungskurs von Herrn Tost 12km entlang der Spree, vorbei an den Hotspots der Stadt und besuchte die Ausstellung „Körperwelten“, der Biologiekurs von Frau Wehmeyer ging in den Zoo und in das Naturkundemuseum, Frau Frey unternahm mit ihren Schülerinnen und Schülern einen Besuch des Improvisationstheaters und führte eine Fahrradtour entlang der Berliner Mauer durch. Der Kunstkurs von Frau Kähling nahm das gesamte Spektrum der Kunst, von alten Meistern bis hin zu urban art/design genau unter die Lupe und probierte in Workshops Eigenes aus. Die Leistungskurse Politik und Geschichte, von Herrn Spiegel und Frau Fiege, ließen sich durch einen Luftschutzbunker im Stadtteil Schöneberg führen und erhielten so eine neue Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg.

„Wie wird ein Gesetz auf den Weg gebracht?“ Mit dieser Frage beschäftigten sich die Leistungskurse Politik und Geschichte bei einem Planspiel im Paul-Löbe-Haus. Hier konnten die Schülerinnen und Schüler in die Rolle eines Abgeordneten schlüpfen und den Gang der Bundesgesetzgebung, am Beispiel eines fiktiven Antidiskriminierungsgesetzes, hautnah nachvollziehen. Am Ende war allen klar: Das ist gar nicht so einfach!

Nach spannenden fünf Tagen kamen die Hauptstadttouristen wieder in Dassel an und haben als Jahrgang, als Kurs und jeder für sich selbst unterschiedlichstes mitgenommen: Das politische System des eigenen Landes und seine Geschichte wurden erfahr- und nachvollziehbar, die gewählten Schwerpunkte der Leistungskurse wurden durch Einzelveranstaltungen bestärkt und die „neue Oberstufe“ fühlt sich im Ganzen und vor allem in den einzelnen Leistungskursen als starke Gemeinschaft. So ist am Ende klar: „Wir sind ein tolles Team!“

Foto: PGS