Leogang (red). Der Mountainbiker Vincent Beckmann (22) aus Neuhaus fährt normalerweise für das Team DDMC GÜLDENMOOR. Vergangen Sonntag durfte er erstmalig das Nationaltrikot anziehen und am UCI Mountainbike Weltcup in Leogang (Österreich) teilnehmen. Es ist die Champions League im Mountainbiken. Der Cross-Country Weltcup – 6 Rennen rund um den Globus, in denen sich die Weltspitze des Mountainbikens misst. Vincent Beckmann bewältigte diese Herausforderung und fuhr von Startplatz 109 auf Rang 105 vor. Die Teilnahme und die Bewältigung der WM Strecke aus 2020 stand dabei im Vordergrund. Er berichtet über vier Tage Blut, Schweiß und Tränen, aber auch den besten Tag seines Lebens. Ohne eine Profiteam Zugehörigkeit oder die nötigen Weltranglisten Punkte ist eine Teilnahme am Weltcup gar nicht möglich, es sei denn man bekommt einen von wenigen Startplätzen, die der Bundestrainer eines jeden Landes vergeben darf. Genau hierfür hat sich Vincent Beckmann beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR) beworben. Zwei Wochen vor dem Weltcup in Leogang bekam er die überraschende Nachricht „Du hast einen Startplatz“. „Ich konnte es nicht glauben. Ich habe die Mail ungefähr 10-mal gelesen und immer mehr angefangen zu grinsen“, erinnert sich Vincent. „Ich musste direkt meine Mama anrufen, weil ich noch im Herbst 2020 mit ihr live die Weltmeisterschaft geschaut habe, die zu dem Zeitpunkt ebenfalls in Leogang stattfand. Ich hatte ihr die schweren Downhills erklärt und gesagt, dies sei nur etwas für die Besten der Besten. Schwieriger geht es kaum. Nach den ersten Freudensprüngen war mir direkt klar, dass genau diese Abfahrten nun auf mich zukommen. Ich habe nicht mit dieser Nominierung gerechnet und war sehr überwältigt“. Über das Kontingent des Bundesverbands zu starten, bedeutet auch im Nationaltrikot zu fahren. „Ohne Frage ein Kindheitstraum, der hier wahr geworden ist“ 

Dann ging für Vincent Beckmann alles ganz schnell. Auf die ersten Anrufe an Teamkollegen, Familie und Freunde, folgten eine Reihe von organisatorischen Aufgaben und Vorbereitungen. Eine Woche vor dem großen Rennen ging es noch zur Deutschen Meisterschaft nach Gedern (Hessen). Die lag geographisch auf dem Weg und diente mit einem Platz in den Top 50 als zusätzliche Motivation. Allerdings reiste Vincent Beckmann auch mit den Folgen eines Trainingssturzes nach Österreich. Er hatte sich beim Streckentraining in Gedern eine schmerzhafte Rippenprellung zugezogen. Vier Tage vor dem Rennen, am Mittwochabend traf Vincent Beckmann, begleitet von einem guten Freund, in Leogang ein. Es sollte sichergestellt werden, dass für alles genügend Zeit ist und die anspruchsvolle Strecke in Ruhe besichtigt werden kann. „Ich wollte unbedingt vor dem offiziellen Training am Donnerstag schon auf die Strecke, weil ich die Hosen voll hatte. Nach der ersten Streckenabfahrt am Mittwochabend war mir klar: Das wird hier kein Kindergeburtstag. Ich bin direkt in der ersten Abfahrt gestürzt und hatte noch mehr Respekt vor den nassen und technisch anspruchsvollen Downhills. Was ich noch ein halbes Jahr zuvor im Fernsehen angeschaut hatte, war jetzt plötzlich real“. 

Die Wetterbedingungen vor Ort waren äußert wechselhaft. Innerhalb von wenigen Minuten tauchten am klaren Himmel dunkle Wolken auf und regnete stark. Die Tage vor dem Rennen hieß es für den im Solling aufgewachsenen Athleten sich mit der Strecke weiter vertraut zu machen und sicherer auf den Abfahrten zu werden. Die Strecke zählt ihren 210 Höhenmetern auf 3,6 Kilometern pro Runde zu den anspruchsvollsten im Weltcup. „Die größte Herausforderung war der Untergrund in den Abfahrten. Mit jeder Trainingsrunde hat sich etwas an der Beschaffenheit verändert. Plötzlich war ein Stein in der Linie, der die Runde zuvor noch von Erde bedeckt war“ erklärt er. Die Abfahrten sind steil, was die Fahrer dazu zwingt das Hinterrad komplett zu blockieren. Dadurch tragen sich die Bodenschichten ab und es wird zu einer kontrollierten Rutschpartie bergab. Am Freitag dann der Nackenschlag. Vincent Beckmann stürzt erneut im Training und prallt mit seinen geprellten Rippen auf einen der vielen Steine auf. „Ich bin direkt aufgestanden, konnte aber kein Wort auf die Frage des Sanitäters antworten, weil ich nicht richtig Luft bekam. Das war ein Schock!“ Nach mehreren Minuten konnte er wieder atmen, musste aber das Training abbrechen. „Das war mental ein richtiger Nackenschlag. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, ob ich Sonntag starten konnte. Bei jedem Atemzug hatte ich Schmerzen“ 

Am Abend überreichte der Bundestrainer Peter Schaupp dann das zu tragende Nationaltrikot für Sonntag. Dies gab dem jungen Neuhäuser zusätzliche Motivation. Das Wetter besserte sich zum Wochenende und die Familie des Neuhäuser reiste inzwischen zur Unterstützung an. Alle waren gekommen. Selbst der Bruder, der mittlerweile in der Schweiz lebt, ist angereist. Mit Schmerzen aber größerem Kampfgeist ging es am Samstag erneut auf die Strecke für ein letztes Training. Der Wettergott meinte es gut und es gab keine großen Niederschläge mehr, was die Qualität der Strecke positiv beeinflusste. „Ich weiß nicht wie, aber Samstag lief es plötzlich. Ich hatte Schmerzen und war nervös, aber alle Abfahrten bin ich sicher gefahren und für mich gab es nur 1 Option: Sonntag am Start stehen!“ Der Fokus lag nach dem letzten Training auf Ruhe und Regeneration, bevor der große Renntag bevorstand. Leogang zeigte Sonntag seine beste Seite und begrüßte alle Teilnehmer mit Sonnenschein. Das Rennen, für das um 14:50 Uhr der Startschuss fiel, wurde über RedBullTV weltweit übertragen. 

Über den Rennverlauf berichtet Beckmann:“ Ich war wirklich nervös, aber auch fokussiert. Ich wollte es einfach genießen und Spaß haben. Dass meine Familie vor Ort war, hat mich zusätzlich gepushed. In einem Startblock mit seinen Idolen und Vorbildern zu stehen und dabei das Nationaltrikot tragen zu dürfen, ist unbeschreiblich. Der Start war hektisch und schnell. Nachdem ich einige Plätze gut machen konnte, viel ich direkt wieder ans Ende zurück und musste mehrfach schauen nicht im Fahrerstau zu viel Zeit zu verlieren. Am Anfang hat es sich angefühlt wie sterben, nach der ersten Runde war es wie fliegen. Auch wenn ich ganz hinten gefahren bin und mich nur wenige Plätze vorkämpfen konnte, hat es sich unglaublich angefühlt. Es war sicher der beste Tag bis jetzt in meinem Leben!“