Northeim (red). In Northeim demonstrierten am Dienstagnachmittag zehn Personen vor der Kaufland-Filiale in der Rücklingsallee gegen Lebensmittelverschwendung und die Kriminalisierung von sogenanntem Containern. Mit Containern wird das „Retten“, also Wiederherausholen von noch genießbaren Lebensmitteln aus den Mülltonnen von Supermärkten und anderen Betrieben bezeichnet. Anlass für die Versammlung ist ein Strafprozess am Amtsgeicht Northeim am kommenden Mittwoch. Drei Angeklagten wird vorgeworfen, im Mai vergangenen Jahres im Hof der Kaufland-Filiale Lebensmittel aus den Mülltonnen entnommen zu haben. Nachdem die Geschäftsleitung des Marktes Strafantrag gestellt hat, sollen sie sich deswegen nun wegen Diebstahl und Hausfriedensbruch verantworten.
Die strafrechtliche Verfolgung von solchen Fällen sei gesellschaftlich hochumstritten, so die Initiatoren der Demonstration. Es stehe ein Gesetzesentwurf in Aussicht, der das Containern straffrei machen soll. Noch 2019 urteilte das Bundesverfassungsgericht jedoch zur Strafbarkeit des Containerns, dass es verfassungskonform sei, „Eigentum auch in Fällen […] der Wertlosigkeit zu schützen.“
"Diese juristische Einschätzung erscheint geradezu zynisch im Kontext der aktuellen Energiekrise und der Ernährungsarmut vieler Menschen auch in Deutschland. Im vergangenen Jahr stieg die Nachfrage bei den Tafeln um 50 %, sodass nicht mehr genug Lebensmittel zur Verteilung bereitstehen. Gleichzeitig landen in Deutschland jedes Jahr 11 Mio. Tonnen Lebensmittel im Müll. Weltweit werden jährlich 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel verschwendet, während 811 Millionen Menschen hunger", so die Initiatoren weiter.
Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir kritisierte kürzlich die aktuelle Gesetzeslage. "Gerade die Supermärkte können ihren Teil zur Entkriminalisierung und Weiterverwertung beitragen, indem sie keine Strafanträge stellen, ihre Tonnen freier zugänglich machen oder Kooperationen zur Weiterverteilung eingehen. Am besten wäre es natürlich, wenn erst gar nicht so viele Lebensmittel weggeworfen werden würden. Lebensmittelverschwendung ist eine Nebenwirkung des modernen Kapitalismus. Unser Wirtschaftssystem ist auf Überfluss ausgelegt und erfordert ein Angebot von bspw. Erdbeeren und Spargel im Winter. Diese ganzjährige und alltägliche Verfügbarkeit führt dazu, dass nach Ladenschluss kistenweise Lebensmittel weggeworfen werden. Darunter auch Lebensmittel, die tausende Kilometer weit gereist sind", führen die Initiatoren abschließend aus.
Die Verhandlung am Amtsgericht Northeim kommende Woche ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Prozessbeginn ist am Mittwoch, 8. Februar, um 9:30 Uhr in Saal 4.
Foto: Herzberg