Einbeck (red). Mit mehreren Aktionen demonstrierten am Samstagmorgen in der Kernstadt verschiedene Kleingruppen für eine umfassende Verkehrswende in Einbeck. Die Polizei reagierte angesichts der legalen Veranstaltungen unverhältnismäßig hart mit einer Unterbindung der Aktionen und der Ingewahrsamnahme einer Person bis in die Abendstunden.
Wie jeden Monat veranstaltete die Verkehrswende-Initiative Einbeck ab 11 Uhr eine Fahrraddemo durch die Straßen Einbecks. Inhaltlicher Schwerpunkt der Veranstaltung war diesmal unter anderem die mangelhafte Fahrrad-Infrastruktur entlang der ehemaligen B3. Statt räumlich getrennter Radwegeführung finden Radfahrende hier eine äußerst unübersichtliche Situation vor: Bei mangelhafter oder fehlender Straßenmarkierung werden Radfahrende zwischen Parkstreifen und knapp überholende Autos gedrängt. „Hier braucht es ein klares Umdenken, und eine konsequente Umgestaltung der Verkehrsführung. Die Gefahrenlage ist fahrlässig“, sagte ein Teilnehmer der Gruppe. Gesetzliche Vorgaben, wie die Mindestabstände beim Überholen von Radfahrenden, werden hier überdurchschnittlich oft missachtet.
Zeitgleich zur Demo kletterte am Möncheplatz eine Person in einen Baum und spannte ein Transparent mit der Aufschrift „Warum sind hier überall Autos?!“, sowie ein Banner mit der Aufschrift „Park statt Parkplatz“. „Der Möncheplatz ist in Einbeck Symbol dafür, an was für veralteten Prioritäten der Stadtgestaltung manche unerbittlich festhalten wollen“, erklärte eine der Teilnehmenden. „Wann erkennen wir endlich, dass diese wertvolle innerstädtische Fläche wesentlich attraktiver, sozialer und grüner gestaltet werden kann?“ Eine zeitgemäße Gestaltung könnte eine Entsiegelung von asphaltierten Flächen, die Erweiterung der Fußgänger*innenzone und die Umnutzung der Parkflächen für touristisch wie alltäglich attraktive Nutzungen beinhalten.
Im Laufe des Vormittags war darüber hinaus eine Person mit einem sogenannten Gehzeug in Einbeck unterwegs. Das Holzgestell des Gehzeugs simuliert dabei die Außenmaße eines PKWs und zeigt sehr bildlich, wie viel Platz ein Auto im Vergleich zu Fußgänger*innen und Personen auf dem Fahrrad benötigt, obwohl im Schnitt nur 1,3 Personen damit fahren. Unmut über den verlangsamten Verkehrsfluss bekam die Person von Autofahrenden und sogar von der Polizei zu spüren, welche unrechtmäßig eine Ordnungswidrigkeit anzeigte. Laut Paragraph 25 (2) der StVO muss ein sperriger Gegenstand auf der Fahrbahn transportiert werden, wenn sonst Geh- und Fahrradwege blockiert werden.
Auch an anderen Stellen zeigten sich die örtlichen Polizeikräfte sichtlich überfordert von der Situationslage. So wurde im Verlaufe des Tages mehrere Male die im Grundgesetz festgeschriebene Versammlungsfreiheit missachtet. Außerdem konfiszierten Polizeibeamt*innen am Nachmittag vor ihrer Wache aus unerfindlichen Gründen vier Fahrräder, die der Gruppe der Demo-Teilnehmenden zuzuordnen waren. Selbst nach mehreren Gesprächen mit den Eigentümer*innen blieben die Räder bisher unter Verschluss, und lassen sich als nichts anderes als ein Trotz-Pfand deuten. Die Gruppe hatte sich ab Mittag zu einer Spontan-Versammlung vor der Wache eingefunden, und harrte dort bis in die Abendstunden mit Musik, warmem Essen und Transparenten aus. Ziel der Versammlung war es, ihre Unterstützung und Solidarität mit einer Mitstreiter*in zu verdeutlichen, die für die Feststellung der Personalien von der Polizei sechs Stunden lang in Gewahrsam gehalten wurde.
Die Aktionen sind auch eine Stellungnahme gegen die Einbecker Stadtverwaltung, die seit Jahren versäumt, ihre beschlossenen Maßnahmen für eine sicherere Fuß- und Radinfrastruktur umzusetzen. Zuletzt hatte es Unmut gegeben, weil beim ersten Treffen der neuen sogenannten Arbeitsgruppe zum Nahmobilitätskonzept einige Ratsmitglieder die Notwendigkeit einer Verkehrswende grundsätzlich anzweifelten.
Die Fahrraddemo führte unter anderem entlang der zukünftigen Fahrradstraße Ostertor und Neuer Markt. Auch die Umsetzung dieses Ratsbeschlusses kommt seit November nicht voran. Bisher konnte die Verwaltung weder einen Zeitpunkt der Eröffnung nennen, noch einen Zeitpunkt, ab dem abschätzbar wäre, wann die Umsetzung anstehe.
Foto: Lotte Herzberg