Einbeck/Northeim (r). Im Spätwinter und zeitigen Frühling halten sich in den Leinepoldern neben vielen anderen Vögeln oft auch Kiebitze auf. Wegen ihrer faszinierenden B alzflüge und ihres besonderen Aussehens lohnt es sich, Ausschau nach ihnen zu halten. Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Kiebitz in vielen Teilen Deutschlands zu den Zugzeiten im Spätwinter sowie im Spätsommer und Herbst in großer Zahl zu sehen. Auch Bruten gab es an etlichen Stellen. Leider sind die Kiebitz -Bestände jedoch erheblich geschrumpft. Umso erfreulicher ist es, dass sich diese Vögel in den L einepoldern vergleichsweise oft beobachten lassen.
Herr und Frau mit Holle
Etwa 28 – 31 cm ist der Kiebitz groß. Er hält sich bevorzugt auf dem Boden auf, in Bäumen landet er nie. Wenn er die Schwingen ausbreitet, dann fäll t die große und breite Form der Flügel auf. Sie tragen diesen Zugvogel jedes Jahr zweimal über weit e Strecken. Die meiste Individuen, die sich im südlichen Niedersachsen beobachten lassen, sind dor t auf der Durchreise und rasten zum Beispiel in den Leinepoldern. Deshalb stehen die Chancen auf Si chtungen von Februar bis April recht gut.
Das wohl auffälligste Merkmal des Kiebitzes ist sei ne Federhaube. „Sie wird Holle genannt und während der Brutsaison ist sie bei den Männchen län ger als bei den Weibchen“, weiß Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. Auf der Oberseite sind die Flügel grau-grün gefärbt und sie zeigen einen metallischen Glanz. „Bei genauer B etrachtung – beispielsweise durch ein Fernglas – wird der blau-violette, oft grünlich eingefasste Schulterfleck sichtbar“, erläutert Spieker.
„Es ist ratsam, diese eher scheuen Vögel nur aus de r Ferne zu betrachten und nicht einfach auf die Wiesen zu gehen, auf denen sie stehen. Das würde di e Kiebitze verjagen“, mahnt er. In den Leinepoldern herrscht ein Wegegebot, zum Schutz der Wildtiere dürfen die Wege also nicht verlassen werden. Für mitgebrachte Hunde gilt es eb enfalls und sie sind an der Leine zu führen.
Flugeinlagen mit „Soundeffekten“
„Ihre breiten Flügel ermöglichen es den Kiebitzen, im Flug akrobatische Manöver zu zeigen. Sie gaukeln manchmal am Himmel entlang wie riesige Schm etterlinge oder fliegen Scheinangriffe auf unsichtbare Feinde, um ihre Geschicklichkeit zu zei gen“, beschreibt Spieker den Flugstil dieser Watvögel. „Hört man genau hin, kann man bei den Balzflügen de r Kiebitze häufig ein wummerndes Geräusch hören.“ Dieses Wummern rührt daher, dass die Federn beim Schlagen der Flügel in Vibration versetzt werden. Seinen Namen hat der Kiebitz übrig ens wegen seiner Rufe, die wie „kiju-wit“ klingen.
Kinderstube auf dem Boden
Lebensräume wie offene Weidelandschaften, Marschwie sen und Ähnliches werden vom Kiebitz bevorzugt. Die drei bis vier Eier werden auf dem Bo den gelegt und von beiden Altvögeln abwechselnd bebrütet. Nach drei bis vier Wochen sch lüpfen die Jungen, die schon kurz nachdem sie zur Welt gekommen sind laufen können. „Als sogenannte Nestflüchter verlassen junge Kiebit ze unter der Aufsicht ihrer Eltern meist unmittelbar nach dem Schlüpfen das Nest“, weiß Thom as Spieker. „Die Familie trippelt umher und sucht auf dem Boden nach Nahrung, darunter Würmer, Insekten und anderen kleinen Tieren. Pflanzenteile fressen sie nur selten.“ In den erste n Tagen müssen die Küken noch regelmäßig gewärmt werden. Kälteeinbrüche treffen sie besonder s hart, weshalb sehr viele Jungvögel bei ungünstiger Witterung sterben.
Wehrhafte Eltern
Doch nicht nur die Witterungsverhältnisse können fü r junge Kiebitze zur Gefahr werden. Sie sind gegenüber Fressfeinden wehrlos, denn sie können zwa r laufen, aber anfangs noch nicht fliegen – diese Fähigkeit erlernen sie erst im Alter von etwa fünf Wochen. „Junge Kiebitze verharren bei Gefahr oft ganz ruhig. Ihre Eltern fliegen Angriffe auf sich nähernde Feinde und sie versuchen, diese von ihrem Nachwuchs wegzulocken“,erläutert Sp ieker. Es bleibt zu hoffen, dass die Kiebitze in der nächs ten Brutsaison möglichst erfolgreich sein werden, denn bedauerlicherweise gilt die Art – nicht nur in Deutschland – als stark gefährdet. Wie viele Kiebitze es aktuell hierzulande gibt, weiß niemand so genau. Anfang des 21. Jahrhunderts schätzte man ihre Population hierzulande auf 67.000 bis 104. 000 Brutpaare. Der große Unterschied zwischen den beiden Werten zeigt, wie dünn die Info rmationslage ist. „Es wäre wünschenswert, wenn Kiebitzbeobachtungen gemeldet würden, zum Beis piel auf naturgucker.de oder mit der kostenlosen Naturerlebnis-Leinepolder-App“, bittet Spieker. Wer möchte, kann sich geführten Wanderungen der Naturscouts rund um die Leinepolder anschließen, um gemeinsam mit den Naturkennern auf die Suche nach Kiebitzen und ander en Tieren zu gehen.
Mehr Informationen über die Natur in den Leinepolde rn gibt es im Internet unter www.naturerlebnis-leinepolder.de. Bei Google Play gibt es die Android-Version der kostenlosen Gebietsführer-App “Naturerlebnis Leinepolder” und i m Apple-Store die entsprechende Version fürs iPhone. Sowohl öffentliche als auch von Gruppen zu buchende Führungen bietet der Naturscouts Leinetal e.V. an, er ist unter www.naturscouts-lein etal.de im Web zu finden. Informationen darüber, welche Vogel- und Säugetierarten in den Leinepolder n bereits beobachtet wurden, liefert www.naturgucker.de, das gemeinnützige Netzwerk für Tier-, Pflanzen- und Pilzbeobachtungen weltweit. Über 42.000 Aktive sind engagiert, mehr a ls 8,6 Millionen Beobachtungen und über 1,06 Millionen Naturbilder wurden hier bislang veröffentlicht