Northeim (lpd). Das kürzlich veröffentlichte Lagebild Häusliche Gewalt des Bundeskriminalamtes zeigt erneut einen Anstieg der Fälle in Deutschland. Im Jahr 2023 wurden bundesweit 256.276 Meldungen verzeichnet – 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr. 70 Prozent der Betroffenen waren weiblich. Auch im Landkreis Northeim macht sich diese Entwicklung bemerkbar: Bis zum 1. August 2024 wurden der Beratungs- und Interventionsstelle Häusliche Gewalt im Landkreis Northeim (BISS) von der Polizei und Betroffenen bereits 218 Fälle häuslicher Gewalt gemeldet. Das entspricht durchschnittlich mehr als einem Fall pro Tag.
Vor dem Hintergrund einer neuen Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), die auf erhebliche Defizite im deutschen Hilfesystem beim Schutz von Gewalt betroffener Frauen und Mädchen hinweist, fordert Julia Kögler, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Northeim, entschlossene Maßnahmen und betont: „Wir können es uns als Gesellschaft schlicht nicht mehr erlauben, untätig zu bleiben.“
Allein die jährlichen Folgekosten geschlechtsspezifischer Gewalt wie medizinische Versorgung, Arbeitsausfälle wegen Gewalteinwirkung und Therapiebedarf belaufen sich in Deutschland einer Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen auf 54 Milliarden Euro. Das sind 148 Millionen Euro täglich.
Um von gewaltbetroffene Frauen und Mädchen gezielt zu unterstützen, hat der Kreistag jüngst den Aufbau einer Frauenberatungsstelle beschlossen. Die neue Einrichtung soll Betroffene dabei unterstützen, belastende Lebenssituationen zu überwinden, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen und neue Lebensperspektiven zu entwickeln.
„Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist für uns nicht akzeptabel“, sagt Landrätin Astrid Klinkert-Kittel. „Mit der neuen Frauenberatungsstelle soll ein sicherer Raum für Betreuung und Hilfe geschaffen werden.“
Darüber hinaus wird auch die Täterarbeit im Landkreis Northeim finanziell besser aufgestellt und ausgebaut. Zusätzlich zur Entscheidung des Kreistags unterstützt Lara Neumann von der Beratungs- und Interventionsstelle das geplante Gewalthilfegesetz von Bundesfrauenministerin Lisa Paus. Dies sieht unter anderem einen Rechtsanspruch auf Beratung und Schutz für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt sowie einheitliche Vorgaben zur Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen vor. „Es ist wichtig, dass Betroffene Zugang zu sicheren Zufluchtsorten und professioneller Hilfe haben“, so Neumann.