Einbeck (r). Leuchtende Farben, exotisch und ausdrucksstark – das sind die Bilderwelten der Buschleute, die ihre Nomaden-Kultur als Jäger und Sammler und ihre Heimat verloren haben. Die Ausstellung „!Xun&Khwe Art Project“ zeigt in der KWS Art Lounge NEWCOMER mit den farbenprächtigen Motiven aus der Sammlung von Hella Rabbethge-Schiller die alte, von Mythen und Magie geprägte Ursprungskultur der San, des indigenen Volkes im südlichen Afrika. Zugleich werden Einflüsse der modernen, von Globalisierung und allgegenwärtiger Kommunikation geprägten Welt deutlich. „Bilder waren nicht Teil ihrer Kultur“, sagte Kunstsammlerin Hella Rabbethge-Schiller bei der Vernissage im Gespräch mit KWS Vorstandssprecher Hagen Duenbostel. „Wir können die Kunst der San als ihre Sprache interpretieren, als Abbilder ihrer Gedanken.“
Die 40 ausgestellten Bilder sind von 15 Künstlern des im Jahr 1993 im südafrikanischen Flüchtlingslager Schmidtsdrift ins Leben gerufenen „!Xun&Khwe Art Projects“ angefertigt worden. Vorwiegend Analphabeten, haben sie autodidaktisch mit modernen Medien wie Öl- und Papierbildern sowie Linolschnitten gearbeitet. Da ist zum Beispiel das Portrait eines Ovambo zu sehen, des Feindes der Buschleute. Hütten, Wasserlöcher oder Masken sind weitere Motive. Die Liebe zur einfachen Formensprache und die Einflüsse der modernen Welt sind auch zu erkennen, etwa beim Bild von einem Mann und einem Radio.
Dass die San-Kunst auch in der westlichen Welt anerkannt ist, liege an ihrer Kraft, Frische und Unbekümmertheit – und am Engagement der Einbecker Sammlerin Hella Rabbethge-Schiller, die sich als offizielle Repräsentantin des Kunstprojekts engagiere, sagte KWS Vorstandssprecher Hagen Duenbostel. Nach der erfolgreichen Ausstellung „Bushman Art“ im Biotechnikum der KWS hat Hella Rabbethge-Schiller weitere Bilder aus ihrer umfangreichen Sammlung für die Art Lounge ausgewählt. Die Kunstsammlerin hat das Flüchtlingslager Schmidtsdrift 1994 erstmals besucht, nachdem sie Bilder aus dem Projekt gesehen hatte und neugierig wurde. Dorthin waren etwa 4.500 San gebracht worden, um die einstmals gefragten Fährtenleser und Regenmacher als Verlierer eines Befreiungskrieges an der Grenze zu Namibia und Angola vor Verfolgung und Rache zu schützen. „Es hat mich sofort fasziniert, welche Kunst in der Umgebung eines Flüchtlingslagers entsteht“, berichtet Hella Rabbethge-Schiller. Sie hatte bei Kimberly in der Nähe des „!Xun&Khwe Art Project“ auf einer Farm einen Teil ihrer Kindheit verbracht.
Die San wären ohne das Kunstprojekt womöglich nie als Künstler entdeckt worden. Das Projekt zeigt eindrucksvoll, was es heißt, verfolgt und vertrieben zu werden und lenkt den Blick der Besucher darauf, wie die San die Traumata des Verlustes ihrer Heimat mit modernen Mitteln der Kunst verarbeiten.
Besucher der Ausstellung bekommen durch die Vielfalt der Motive, Formate, Farben und Materialien einen umfassenden Einstieg in die Bilderwelt der Buschleute. Filmsequenzen, die das Leben und die künstlerische Arbeit der San im Flüchtlingslager Schmidtsdrift dokumentieren, sowie Geschichten zum Hören auf iPod runden die Ausstellung ab.
Bis zum 6. Oktober 2018 ist die Ausstellung in der NEWCOMER KWS Art Lounge in der Tiedexer Straße 20 a/b in Einbeck zu sehen: mittwochs von 11 bis 13 Uhr und 15 bis 17 Uhr, freitags von 16 bis 18 Uhr und sonnabends von 11 bis 13 Uhr. Hella Rabbethge-Schiller wird noch mehrmals persönlich vor Ort sein; die Termine werden noch bekanntgegeben. Die CD mit den gesprochenen Geschichten, der aktuelle Katalog zur Ausstellung im Biotechnikum sowie Poster und Bücher aus dem Bestand von Hella Rabbethge-Schiller können erworben werden.
Foto: Frank Bertram