Bad Gandersheim (r). Seit Juli ist in der Stiftskirche die Ausstellung mit dem provokanten Titel „Talar und Lippenstift. 50 Jahre Frauen im Pfarramt der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig “ zu sehen und stößt auf reges Interesse. Gut tausend Menschen haben die Ausstellung bereits besucht und sich über den langen und oft schwierigen Weg der Frauen auf die Kirchenkanzel informiert.
Dr. Christoph Meyns, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Braunschweig, freut sich über die große Nachfrage und betont die Bedeutung des Themas für Kirche und Gesellschaft: „Die Ausstellung zeigt in beeindruckender Weise den Kampf um Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der evangelischen Kirche im 20. Jahrhundert bis hin zur Frauenordination. Ich bewundere die Frauen, die trotz aller Hindernisse den Weg ins Pfarramt gegangen sind und den nachfolgenden Generationen als Vorreiterinnen den Weg gebahnt haben“, erklärt Bischof Meyns. „Die Anfeindungen, die sie von Seiten männlicher Theologen teilweise bis in jüngste Zeit hinein erlebt haben, bestürzen mich. Ich hoffe, dass es gelingt, noch mehr Frauen für kirchliche Leitungsämter zu gewinnen“, so Meyns weiter.
Prominente Unterstützung gibt es auch von Dr. Gabriele Andretta, Präsidentin des Niedersächsischen Landtags: „Der Titel der Ausstellung beschreibt sehr gut das Spannungsfeld, in dem sich Frauen in Männerdomänen bewegen. Die dargestellten Lebenserfahrungen sind bewegende Zeugnisse der Geschichte und zeigen gleichzeitig, dass es auch heute noch Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung gibt.“
Erst fünfzig Jahre ist es her, dass die ersten Frauen in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Braunschweig als Pfarrerinnen ordiniert wurden. Die Sonderausstellung „Talar und Lippenstift“ zeichnet den Weg der Frauen im Pfarramt seit 1968 nach. Lebensentwürfe und Rollenbilder sowie die damit zusammenhängenden Herausforderungen und Widerstände werden sichtbar und nachvollziehbar gemacht. Über einen langen Zeitraum durften Frauen in der Kirche lediglich im Hintergrund wirken, hatten jedoch keine offiziellen Ämter inne. Die ersten ordinierten Pfarrerinnen hatten es oft schwer, respektiert zu werden. Sie wurden belächelt, kritisiert und abgewertet.
Meike Bräuer-Ehgart, Stiftskirchenpfarrerin in Bad Gandersheim und stellvertretende Pröpstin, ist eine der Frauen, deren Geschichte in der Ausstellung beleuchtet wird. Sie berichtet: „Auch heute gibt es immer noch Vorurteile gegenüber Pastorinnen. Die Präsentation zeigt, wie hart sich Frauen den Weg ins Pfarramt erkämpfen mussten und wie viele Hindernisse sie dabei überwinden mussten."
Ergänzt wird die Ausstellung, die noch bis Ende September zu sehen ist, durch ein breites Rahmenprogramm mit Lesungen, Vorträgen und Führungen. Am Donnerstag, 27. September, können Interessierte einen Vortrag zum Thema „Theologie studieren – Frauen und Männer. Damals und heute“ hören. Die Veranstaltung ist kostenlos und findet um 18:30 Uhr im Martin-Luther-Haus direkt neben der Stiftskirche statt. Der Abschluss der Ausstellung „Talar und Lippenstift“ wird am Sonntag, 30. September 2018, um 10:00 Uhr mit einem feierlichen Abschlussgottesdienst in der Stiftskirche Bad Gandersheim begangen. Der Gottesdienst wird gehalten von Landesbischof Dr. Christoph Meyns und Pröpstin Elfriede Knotte von der Propstei Gandersheim-Seesen, sowie dem Landesverband der Ev. Frauenhilfe Braunschweig.
Foto: Talar und Lippenstift