Northeim (hakö). Die Northeimer Waldbühne ist ein wunderschön gelegenes Open-Air-Gelände, das am Ostrand der Kreisstadt idyllisch mitten im Wald liegt. Sie wurde einst liebevoll "kleine Schwester" der legendären Berliner Waldbühne genannt, vor fast 85 Jahren am "Gesundbrunnen" erbaut. Bedeutende Künstler aus der internationalen und nationalen Rock-, Pop- und Schlagerszene feierten hier glanzvolle Auftritte, umjubelt von einem begeisterten Publikum im weiten Rund.

Unvergessen bleiben neben den "Mallorca-Partys" vor allem auch die "Festivals der Volksmusik", unter anderem gleich nach dem Mauerfall. Tausende Besucher kamen damals aus den benachbarten, neuen Bundesländern. Die Erinnerungen sind geblieben. Generationen schwärmen noch heute davon.

Und heute? Das regelmäßig durch Mitarbeiter der Stadt kontrollierte Bühnenareal liegt seit 2016 endgültig wieder im Dornröschenschlaf, wartet, so scheint es, "wach geküßt" zu werden vom aktuellen Zeitgeist. Wo sind sie, die Sponsoren, Politiker und Idealisten, die die Bedeutung der Bühne für die Infrastruktur der Harz-Weser-Region im Herzen von Deutschland erkennen und heraus wollen aus dem "Nebelteppich der Untätigkeit"?

Die Waldbühne gehört ins Fachwerk5Eck. Sie soll laut Stadt Northeim nicht verkauft werden. Ein Schreckgespenst ist noch immer die vor Jahren getätigte Aussage, die Waldbühne "abzureißen", um Parkraum für das benachbarte Hotel sicher zu stellen. Es gilt aktuell umso mehr, dieses einmalige Kulturdenkmal zu erhalten.

Die "Waldbühne Niedersachsen in Northeim" wurde von 2000 bis 2009 durch den Förderverein zur Erhaltung der Waldbühne in Zusammenarbeit mit der Stadt Northeim saniert und modernisiert. Dank für die Unterstützung erging seinerzeit an die VR Stiftung der Volksbanken und Raiffeisenbanken, Klosterkammer Hannover, Europäische Union, Bundesagentur für Arbeit, Landkreis Northeim, Mitglieder des Fördervereins und den vielen ortsansässigen Unternehmen und privaten Spendern.

Wohin steuert die einst so beliebte Kulturbühne, wenn Künstler-, Konzert- und Eventagenturen plötzlich an die Rathaustür klopfen und positive Antworten erwarten, bezüglich einer von einer breiten Öffentlichkeit in der Region gewünschten Wiederbelebung. 2020 wäre ein ideales Datum, 86 Jahre nach dem ersten Spatenstich.

Harald März, ehemaliger Kultusamtsleiter der Stadt Northeim mit hoher Fachkompetenz, geschätzt in der bewegten Kulturszene, hat einen bemerkenswerten Beitrag geschrieben unter dem Titel "Die Waldbühne Northeim - Open-Air-Juwel im Grünen" im "Niedersachsenbuch 2002", herausgegeben vom Niedersächsischen Innenministerium in Zusammenarbeit mit der Stadt Northeim aus Anlaß des Landesfestes "Tag der Niedersachsen" in der Kreisstadt.

Deutsche Meisterschaft der Kunstturner

Blick zurück: Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg fand auf der Freilichtbühne Niedersachsen die erste (inoffizielle) Deutsche Meisterschaft der Kunstturner vor 10.000(!) Besuchern statt. Harald März merkt in seinem Beitrag an, daß die Freilichtbühne in den 50er Jahren durch die Aktivitäten der "Spielgemeinschaft Freilichtbühne Northeim" in den Mittelpunkt des kulturellen Lebens der Stadt rückte. Für viele städtische Bedienstete war die Mitwirkung beim Laienspiel eine moralische Pflicht. Man spielte im Spektrum von "Bürgermeister Froberg" bis "Wallensteins Lager".

Konzert der Les Humphries Singers

In den 60er Jahren gab es laut Autor Harald März überwiegend kleinere Veranstaltungen der Schulen, Kirchen und Vereine auf der Bühne. Am 5. September 1974 testete, so März, die neue, hauptamtliche Stadtjugendpflege Northeim die tatsächliche Kapazität mit einem Konzert der damals populärsten deutschen Pop-Gruppe, den "Les Humphries Singers". Das Resultat: Ausverkauft! 4.500 Besucher!

Im Jahr 1984 begann die große Zeit der internationalen Pfingst-Tanztreffen (bis 1990) mit mehreren hundert Teilnehmern und jeweils 2 bis 3.000 Besuchern. Ein Versuch, Karl-May-Festspiele in Northeim zu etablieren, schlug fehl, berichtet Harald März. Ein Woodstock-Revival-Experiment mit den Altrockern "Ten Years After" endete angeblich mit einem finanziellen Desaster.

"Tote Hosen" zu Gast

Zu Gast waren danach die "Toten Hosen", beglückten immerhin 6.500 Punker. Danach fesselte der NDR 8.000 Volksmusik-Fans. Die "Waldbühne" war geboren. In den Jahren 1990 bis 2000 wurden die Open-Air-Events von etwa 200.000 Personen besucht. Die zehnjährige Zusammenarbeit mit dem NDR Radio Niedersachsen ist eine Erfolgsgeschichte. Das Konzept "Festival der Volksmusik" übertraf alle Erwartungen.

"Schürzenjäger" garantierten volles Haus

Alle Großen des Genres waren in Northeim vertreten: Heino, Kastelruther Spatzen, Hansi Hinterseer, Oswald Sattler, Naabdal Duo, Maria und Margot Hellwig, Wildecker Herzbuben, Mühlenhof Musikanten, Nockalm Quintett, Tony Marshall, Patrick Lindner, Marianne und Michael und viele mehr. Manche Stars wurden in Northeim geboren: Geschwister Hofmann, Stefan Mross, Stefanie Hertel, Margitta und ihre Töchter und Judith und Mel. 2007 kamen Roland Kaiser und Helene Fischer.

Der vielbeachtete Beitrag von Harald März im "Niedersachsenbuch 2002" schließt mit einem optimistischen, hoffnungsvollen Ausblick: "Durch die Sanierungs- und Verbesserungsmaßnahmen wird die romantische Waldbühne im Süden von Niedersachsen, in der Mitte der Republik, wieder bundesweite Beachtung finden".

"Bühne frei" - Über neues Konzept nachdenken

Und heute? Wer und was hindert eigentlich daran, dieses Open-Air-Juwel wieder zu beleben, mit einer einmaligen Live-Atmosphäre, mit musikalischen Highlights und jeder Menge Spaß für eine nachgewachsene Generation, immer am Puls der Zeit? "Bühne frei", Gespräche suchen mit Veranstaltern, Großsponsoren, Initiatoren. Ein ganz wichtiger Teil auch der Wirtschaftsförderung von Stadt und Landkreis Northeim, meint News-Redakteur Hartmut Kölling in Erinnerung unter anderem an Joe Cocker, Roland Kaiser und die legendären Mallorca-Partys. Hier hat die Kreisstadt ein absolutes Pfund in der Tasche.

www.northeim.de / waldbühne

Fotos: Hartmut Kölling (u.a. Titel / Flyer zur 700-Jahr-Feier 1952)