Von Hartmut Kölling
Ecklingerode (hakö). Fast nichts erinnert mehr in diesen historischen Tagen im ehemaligen Zonenrandgebiet rund um Duderstadt an die bis 9./10. November 1989 technisch so perfekten und undurchdringlichen, unmenschlichen Sperranlagen. Im Eichsfeld war vor 30 Jahren die tiefe Ergriffenheit, die laute und die stille Freude über die Grenzöffnung besonders groß. Gerade im Eichsfeld, dessen Menschen sich durch den gemeinsamen Glauben und die gemeinsame Vergangenheit in einer historisch gewachsenen Region besonders verbunden fühlten. Bei Duderstadt war, wie anderswo auch, ein Stück Deutschland zerschnitten.
Heute kann man jenseits der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze tatsächlich "blühende Landschaften" entdecken. Da wäre zum Beispiel Ecklingerode, nur drei Kilometer entfernt von Duderstadt, eine stolze Gemeinde im thüringischen Eichsfeld (EIC). Ecklingerode mit dem "WestÖstlichen Tor" auf dem "grünen Band" des Lebens, ökologisches Rückgrat Mitteleuropas, mit seiner sehenswerten St.Valentinskirche mit barockem Seitenaltar, gehört zur Verwaltungsgemeinschaft Lindenberg/Eichsfeld. Heute hat Ecklingerode immerhin schon wieder über 700 Einwohner, einst abseits, fast auf demTodesstreifen gelegen, ohne Hoffnung. Die ehemalige deutsch-deutsche Grenze ist heute ein einmaliger Natur- und Erinnerungsraum.
Nur wenige Kilometer entfernt auf niedersächsischem Boden liegt Brochthausen. Hier trafen wir uns in den 80er Jahren mehrmals im Jahr im Gasthaus "Zur Erholung", Journalistenkollegen aus ganz Deutschland. Paul Moneke, liebenswerter Gastgeber und Chef des Hauses, hatte stets brandaktuelle Informationen, erzählte nicht selten Dramatisches und Tragisches von geflüchteten Menschen am Sperrzaun oberhalb von Brochthausen. Einige konnten in letzter Sekunde gerettet werden, andere schafften es nicht. Unendliches Leid und Mitgefühl bei der Bevölkerung und auch bei uns Pressevertretern. Oft ging der Blick von der Aussichtskanzel zur nahen Ziegelei Zwinge auf DDR-Gebiet. Die Werktätigen durften jedoch nicht gen Westen schauen oder gar Worte mit uns wechseln. Diese Momente gingen wirklich unter die Haut.
Beeindruckend ist das stark verbesserte Straßennetz, von Göttingen bzw. Groß Schneen und Gut Besenhausen sowie Uder kommend auf das boomende Heilbad Heiligenstadt (Thüringen) zu, mit neuem, sich gerade entwickelnden Gewerbegebiet an der A38. Eine Infrastruktur, die sich sehen lassen kann. In den frühen 90er Jahren nahmen zahlreiche Jugendliche aus Heiligenstadt und Umgebung auf Einladung des Landkreises Göttingen mehrfach an Internationalen Begegnungsfreizeiten im Schullandheim Pelzerhaken an der Ostsee teil, trafen in der Neustädter Bucht auf Gleichaltrige aus Südniedersachsen und aus den Partnerstädten Suresnes in Frankreich und Hackney in England.
Erfreulich präsentieren sich auch die kleinen, schmucken Orte Günterode und Berlingerode, wie auch Teistungen, Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Lindenberg/Eichsfeld. Das benachbarte Grenzlandmuseum verzeichnet wachsende Besucherzahlen aus Ost und West.
Resümee der kurzen Visite: Es gibt viel Erfreuliches beim Blick zum Nachbarn in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die abwechslungsreiche Hügellandschaft lädt zum Verweilen ein. Wichtig erscheint mir, daß Menschen aus den alten und neuen Bundesländern im Gespräch bleiben, Vorurteile abbauen und gemeinsam "Zukunft bauen".
Ich habe nach der Wende wunderschöne Landschaften gesehen, habe liebenswerte Menschen getroffen, über Europa gesprochen, Kulturen entdeckt, unter anderem in: Slowakei (in Kosice/Kaschau), Polen (Niederschlesien Wrozlaw/Breslau und Jelenia Gora/Hirschberg), Tschechien (Riesengebirge mit Elbquelle/Spindlermühle/Schneekoppe) und Ungarn (Budapest und Balaton/Plattensee). Zudem bin ich Gründungsmitglied des Alfelder Vereins für "Deutsch-Polnische Verständigung".
In den neuen Bundesländern kann ich aus eigenem Erleben unter anderem empfehlen: Halbinsel Darß, Prerow, Zingst, Rostock, Warnemünde, Greifswald, Stralsund, Rügen, Hiddensee, Lausitzer Seenplatte/größte zusammenhängende Seenlandschaft Europas, Schloß Moritzburg, Meißen, Dresden, Elbsandsteingebirge, Bad Schandau. Das Interesse, unsere Freunde, die Menschen im Osten kennenzulernen, ihnen zuzuhören und sie zu verstehen, darf niemals versiegen. "Aufeinander zugehen", heißt die Devise. Nur wenn man die Sorgen und Nöte des anderen kennt, kann Verständnis wachsen, um Frieden und Freiheit zu sichern.
www.duderstadt.de
Fotos: Hartmut Kölling