Einbeck (red). Meist sind es vor allem die großen Vögel, die uns besonders leicht in ihren Bann schlagen. Beim Eisvogel ist das anders. Trotz seiner relativ geringen Körpergröße ist er wegen seiner kräftigen Gefiederfarben ein echter Blickfang. In den Leinepoldern ist der geschickte Fischfänger ganzjährig zu Hause.
Einem Eisvogel bei der Beutejagd zuzuschauen, ist immer wieder ein Erlebnis. Von einer passenden Sitzwarte aus behält das Tier die Wasseroberfläche im Blick und fliegt blitzschnell los, sobald er einen Fisch erblickt. Der Vogel stößt mit dem Schnabel voran ins Wasser, um seine Beute zu packen. Anschließend drückt sich mit seinen kräftigen Flügeln wieder nach draußen, um sogleich auf einen Ast zu fliegen und den Fisch zu verspeisen.
Das Ganze so schnell vonstatten, dass man als Beobachter die kleinen Details mit bloßem Auge nicht erfassen kann. Dabei wünschen sich viele Betrachter, sie könnten mehr Details dieser „BlitzJagd“ erfassen, denn Eisvögel sind ausnehmend farbenfrohe Erscheinungen.
Stämmig und bunt
Keine andere heimische Vogelart trägt so viel Blau im Gefieder wie der Eisvogel. Er zeigt diese Farbe an den Federn des Kopfes, des Rückens, der Flügel und des Schwanzes. Allerdings handelt es sich nicht um ein reines Blau, sondern vielmehr um ein Türkisblau, das vor allem im Sonnenlicht eine hohe Strahlkraft hat. Rotrot bis kastanienbraun ist die Körperunterseite gefärbt, lediglich die Kehle ist weiß. Seitlich am Kopf haben Eisvögel rostbraune Ohrdecken und im hinteren Bereich je einen weißen Halsfleck.
Der Körperbau wirkt recht gedrungen. Insgesamt sind Eisvögel nur etwa zwischen 16 und 18 cm lang, ihre Flügelspannweite beläuft sich auf 25 cm. Da fällt der circa 4 cm lange Schnabel stark auf, er wirkt an so einem kleinen Vogel besonders mächtig. „Erwachsene männliche Individuen haben einen schwarzen Schnabel, der manchmal ein wenig aufgehellt ist“, erklärt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e.V. „Weibchen haben dagegen nur einen dunklen Oberschnabel und einen orange gefärbten Unterschnabel, woran sie gut zu erkennen sind.“
Tunnelbau für den Nachwuchs
Zum Brüten brauchen Eisvögel senkrechte Abbruchkanten in Gewässernähe, die am besten aus festem Sand oder lehmiger Erde bestehen sollten. „Die kleinen Vögel graben unter enormer Anstrengung einen meist fast waagerechten Gang, an dessen Ende sich ein Kessel befindet, in dem die Eier gelegt werden“, erläutert Spieker. „Bei den Bauarbeiten setzen Eisvögel ihre kleinen Füße dazu ein, die lose Erde aus der immer länger werdenden Niströhre zu scharren. Es sind Röhren mit einer Länge von bis zu einem Meter bekannt.“
Meist besteht ein Gelege aus sechs bis acht Eiern, die von beiden Partnern abwechselnd 19 – 21 Tage bebrütet werden. Sind die Jungen geschlüpft, sind sie anfangs noch nackt und blind. In dieser Zeit werden gewärmt, was als Hudern bezeichnet wird. In den kommenden rund vier Wochen werden sie mit Fischen versorgt. Neben Fischen fressen Eisvögel außerdem Wasserinsekten und deren Larven, kleine Krebstiere sowie Kaulquappen.
Schachtelbruten und Bigamie
Es kommt bei Eisvögeln oft vor, dass ein Männchen zwei Weibchen und deren Küken gleichzeitig versorgt. Oder aber es finden sogenannte Schachtelbruten statt: „Sind die Jungen der ersten Brut schon so weit entwickelt, dass sie nicht mehr ständig gewärmt werden müssen, kommt es zu weiteren Paarungen der Alttiere. Das Weibchen legt dann bald an einem anderen Nistplatz Eier, die gewärmt werden, während die Küken aus der ersten Brut weiterhin versorgt werden. Beide Bruten laufen also ineinander verschachtelt ab“, weiß Thomas Spieker.+++ Das mag alles sehr anstrengend klingen, doch zur Arterhaltung ist dies durchaus sinnvoll. Denn es gibt bei den Bruten häufig hohe Verluste, zum Beispiel durch Überschwemmungen der Bruthöhlen oder durch Angriffe von Fressfeinden. Nach dem Verlassen des Nestes müssen die Jungvögel die besondere Jagdtechnik des Stoßtauchens rasch erlernen, um nicht zu verhungern, was eine große Herausforderung für sie ist.
Eisvögel im Winter
Erwachsene Vögel bleiben ihren Revieren ganzjährig treu, was in sehr kalten Wintern ihren Tod bedeuten kann. „Frieren die Jagdgewässer zu, haben die Tiere keine Möglichkeit, sich zu ernähren“, so Spieker. Findet sich dann in der näheren Umgebung kein eisfreies Gewässer, ist das Schicksal der Eisvögel besiegelt. „Weil die Leine in den Leinepoldern auch in sehr kalten Wintern zumindest stellenweise eisfrei bleibt, ist dieses Gebiet für Eisvögel in dieser Jahreszeit ein wichtiger Lebensraum.“
Von den Beobachtungsposten aus kann man die hübschen Vögel manchmal auf ihren Sitzwarten über dem Wasser sehen, wobei ein Fernglas gute Dienste leistet. Ins Gebiet zu laufen, um die Vögel besser sehen zu können, ist keine gute Idee. In den Leinepoldern gilt ganzjährig ein Wegegebot für Menschen und die sie begleitenden Hunde. Die Vierbeiner sind an der Leine zu halten, damit sie nicht ins Schutzgebiet rennen und dort die Wildtiere stören.
Wer gern Eisvögel und andere tierische Bewohner der Leinepolder beobachten möchte und Hilfe beim Auffinden braucht, für den bietet es sich an, sich einer geführten Wanderung der Naturscouts Leinetal anzuschließen. Die erfahrenen Naturführer kennen die besten Beobachtungsplätze und wissen viel Spannendes und Wissenswertes über die in den Leinepoldern lebenden Tiere und das Schutzgebiet selbst zu berichten.
Mehr Informationen über die Natur in den Leinepoldern gibt es im Internet unter www.naturerlebnis-leinepolder.de. Bei Google Play gibt es die Android-Version der kostenlosen Gebietsführer-App “Naturerlebnis Leinepolder” und im Apple-Store die entsprechende Version fürs iPhone. Sowohl öffentliche als auch von Gruppen zu buchende Führungen bietet der Naturscouts Leinetal e.V. an, er ist unter www.naturscouts-leinetal.de im Web zu finden. Informationen darüber, welche Vogel- und Säugetierarten in den Leinepoldern bereits beobachtet wurden, liefert www.naturgucker.de, das gemeinnützige Netzwerk für Tier-, Pflanzen- und Pilzbeobachtungen weltweit und strategischer Partner des NABU. Über 37.000 Aktive sind engagiert, mehr als 8,3 Millionen Beobachtungen und über eine Million Naturbilder wurden hier bislang veröffentlicht.
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