Einbeck/Northeim (red). Sie hat ihr duales Studium der Sozialen Arbeit an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie, kurz VWA, in Göttingen mit der Note 2,2 bestanden: Mayssam Freitag vom Diakonischen Werk Leine-Solling in der Dienststelle Einbeck. Und das über drei Jahre, neben ihrem Beruf und als alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern, heute 17 und 7.
„Manchmal weiß ich auch nicht, wie ich das gemacht habe. Aber mir war bewusst: Das duale Studium ist ein großes Geschenk, ein Segen für mich. Da war Aufgeben keine Option“, schildert die 39-Jährige. Sie stammt gebürtig aus dem Libanon, doch ihre dortige Ausbildung als Lehrerin wurde hier in Deutschland nicht anerkannt. Da Mayssam unbedingt eine Ausbildung abschließen wollte, schrieb sie sich zunächst an der Universität Hildesheim ein und begann ein Lehramtsstudium.
Doch als ihr Mann starb, konnte sie nicht Vollzeit weiterstudieren – die Witwenrente war zu gering. Im Mai 2017 begann Mayssam Freitag schließlich ihre Arbeit beim Diakonischen Werk Leine-Solling in Einbeck. Als ihre Kollegen, der Kirchenkreissozialarbeiter Marco Spindler und Michael Büchting, Vorsitzender des Kuratoriums der Diakoniestiftung „Nächstenliebe“, von ihrem großen Traum Wind bekamen, starteten die Überlegungen und konkreten Planungen.
„Und eines schönen Tages wurde ich gefragt, ob ich nicht Soziale Arbeit studieren möchte, um hinterher fest als Sozialarbeiterin für Geflüchtete tätig zu sein – und ich sagte sofort freudestrahlend zu“, beschreibt Mayssam die Anfänge. Zum Wintersemester 2018 startete sie an der VWA Göttingen, arbeite drei Tage die Woche in Einbeck, organisierte die Flüchtlingsarbeit „Neue Nachbarn“ mit Krabbelgruppe und Deutschkurs und stand den Familien und Einzelpersonen für Beratungen zur Verfügung – und die anderen beiden Tage war sie an der Uni, hörte gebannt den Vorlesungen zu, arbeitete die Vorlesungen nach, bereitete sich auf die Prüfungen und natürlich auf die Abschlussarbeit vor.
Gut ein Jahr lang funktionierte das Studium aufgrund von Corona rein online. In Sachen Kinderbetreuung sprang die Schwester von Mayssam Freitag unterstützend zur Seite. Und beim Korrekturlesen der Abschlussarbeit und anderen Fragen zum Studium half Marco Spindler weiter. Dieser betont: „Hut ab vor Mayssams großartiger Leistung!“
Der Kirchenkreissozialarbeiter stellt aber auch die Bedeutung der Flüchtlingsarbeit heraus: „Die Integration der Flüchtlinge, aber auch die Frauenarbeit sind wichtige Themen – und Mayssam Freitag und ihre wirkungsvolle Arbeit sind ein Segen für uns. Genauso wie die Stiftung Nächstenliebe“, beschreibt Marco Spindler.
Das Projekt „Neue Nachbarn“ der Diakoniestiftung „Nächstenliebe” bietet vielfältige Unterstützung für Geflüchtete an und orientiert sich dabei an dem Konzept der „Integrationsniveaus“, das bereits landeskirchenweit Beachtung fand. Ehrenamtliche schaffen zusammen mit Mayssam Freitag und Roland Heimann eine Willkommenskultur und helfen den Geflüchteten bei der Organisation des neuen Lebens. Das können Behördengänge, Gespräche mit Lehrern oder ein Besuch beim Arzt sein.
Auch ein gemeinsamer Treffpunkt zum Austauschen und Kontakte knüpfen ist entstanden. Durch die erfolgreiche Stiftungsarbeit, die Unterstützung durch Fundraising und das Kuratorium um Michael Büchting kann Mayssams Projektstelle zunächst für ein Jahr, vermutlich aber sogar für gut zwei Jahre gesichert werden. Danach wird weitergesehen.
„Denn fest steht: Der Bedarf ist da, die Beratungen werden sehr gut angenommen. Mayssam Freitag ist sehr gut vernetzt, kennt die unterschiedlichen Kulturkreise der Ratsuchenden, überwiegend aus dem Irak, aus Syrien und Afghanistan, und ihre Familiensysteme“, ergänzt Marco Spindler. Und Michael Büchting betont: „Uns ist wichtig, die Stelle kontinuierlich besetzt zu halten. Denn gerade in diesem Bereich braucht es Kontinuität, ein gutes Netzwerk und Verbündete.“
Mayssam Freitag ist sehr stolz und freut sich, zusammen mit ihren Kollegen, sehr über ihr gutes Abschlussergebnis ihres „Bachelor of Art“. „Dadurch kann ich meinen Kindern und allen anderen zeigen, dass es sich lohnt, mit Eifer und Ausdauer an seinen Zielen festzuhalten. Zweifel, Stress und Anspannung gehörten dazu – aber mein Traum ist wahr geworden!“
Informationen zur Diakoniestiftung „Nächstenliebe in Einbeck“
Gegründet im Jahre 2009 von den drei Ev.-luth. Stadtgemeinden und dem Kirchenkreis Leine-Solling hat sich das Kuratorium der Diakoniestiftung „Nächstenliebe“ im Herbst 2012 neu aufgestellt. Ihr Ziel: in akuten Notlagen schnell und unbürokratisch helfen und Bedürftige auch auf andere Quellen für Fördermittel hinweisen. Daneben initiierte die Stiftung den Besuchsdienst "GemEINsam" für Einsame und Hilfsbedürftige, die Seelsorge im Einbecker
Foto: Mareike Spillner