Einbeck (r). Mit ihrem dunklen, graubraunen Gefieder sind Blässh ühner nicht gerade ein Blickfang. Trotzdem lohnt es sich, bei diesen Wasservögeln genauer hinzuschauen. Sie zeigen einige Besonderheiten in Anatomie und Verhalten, die sich beispielsweise in d en Leinepoldern beobachten lassen. Bei den Blässhühnern täuscht der Name, denn sie sind keine Hühner. Eine weitere gebräuchliche Bezeichnung lautet Blässralle, diese schwarzen Wasservögel gehören somit zur Familie der Rallen. Typisch für Rallen ist, dass sie sich gern und häufig am Boden aufhalten – oder im Fall der Blässhühner außerdem auf dem Wasser. Dort fallen nicht alle charakteristischen Merkmale dieser Vögel auf. Vor allem wenn sie sich an Land zu Fuß fortbewegen, lässt sich ihr Körperbau gut studieren.
Besondere Schwimmhilfen: etwa 36 bis 42 cm beträgt die Körpergröße und beide Geschlechter sehen gleich aus. Wegen des kurzen Schwanzes und des vergleichsweise kurzen Halses wirken Blässhühner insgesamt rundlich, ihr Kopf ist vergleichsweise klein. Über dem hornfarben bis zartrosa gefärbten Schnabel befindet sich ein weißer Hornschild, die Blässe. Rötlichbraun bis dunkelbraun ist die Iris gefärbt. Bei erwachsenen Blässhühnern ist das Federkleid dunkel graubraun bis schiefergrau. An der Kehle kann es bläulich bis olivfarben schimmern und am Kopf sind die Federn mattschwarz. Jugendliche Individuen haben oberseits braunschwarze Federn. Die untere Gesichtshälfte, der Hals, die Kehle und die Brust sind bei ihnen schmutzig weiß. Ihr Hornschild ist erst schwach entwickelt. Recht lang sind die Beine der Blässhühner, sie können aschgrau, blass grünlichgelb bis leuchtend gelb gefärbt sein. Bei älteren Individuen ist das Fersengelenk meist kräftig braun. Drei der vier Zehen sind lang und weisen nach vorn, der vierte Zeh zeigt nach hinten. An den drei vorderen Zehen befinden sich breite, gerippte Schwimmlappen. „ Dank dieser Lappen können Blässhühner nicht nur gut schwimmen, auch ihr Gewicht verteilt sich beim Gehen auf einer großen Fläche. Dadurch können sie über größere Seerosenblätter laufen, ohne unterzugehen“, erklärt Thomas Spieker von den Natur scouts Leinetal e.V. Ans Wasser gebunden Sowohl an stehenden als auch an langsam fließenden Gewässern fühlen sich Blässhühner heimisch und brüten im Frühling dort für gewöhnlich auch. An Land halten sie sich meist in der Nähe eines Gewässers auf, um es bei drohender Gefahr mit schnellen Schritten erreichen zu können. „Zwar sind Blässhühner flugfähig, aber sie gehen häufig lieber zu Fuß“, so Spieker.
Bei ihren Landgängen suchen sie den Boden nach Fressbarem ab, darunter Pflanzenteile, Schnecken, Würmer oder Insekten. Als Allesfresser können Blässhühner in Mitteleuropa das gesamte Jahr über in ihrem angestammten Gebiet bleiben, sie finden immer genügend Nahrung. „ Dabei kommt es den Vögeln entgegen, wenn sie in der kalten Jahreszeit ein eisfreies Gewässer finden – wie beispielsweise die Leine an der Geschiebesperre“, erklärt der Naturkenner Spieker. „Wenn anderenorts die Gewässer zufrieren, kommen oft viele Blässhühner ins Naturschutzgebiet oder zum Großen Kiessee bei Northeim. Im Winter kann man dort manchmal große Blässhuhn- Ansammlungen beobachten.“ Rabiate Umgangsformen
Sind Blässhühner entspannt, kraulen sie manchmal einem Artgenossen – möglicherweise ihrem Partner – mit dem Schnabel das Kopfgefieder. Kommen ihnen andere Blässhühner zu nahe, drohen sie ihnen: Sie schwimmen aufeinander zu, wobei sie den Kopf senken und die Flügel leicht aufrichten, um größer zu wirken. Meist reicht das schon, um den Schwächeren zum Nach geben zu bringen. Doch gerade im Spätwinter und zeitigen Frühling, wenn die Reviere besetzt werden, geht es zur Sache: „Die beiden streitenden Vögel schwimmen aufeinander zu und versuchen den Gegner mit den Füßen so heftig zu treten, dass er kentert oder unter Wasser gedrückt werden“, erläutert Spieker. Zuweilen gehen sie auch an Land aufeinander los, dann wird im Sprung gegen die Brust des „Sparringspartners“ getreten.
Von den Beobachtungsplätzen rund um die Leinepolder aus lassen sich diese Revierstreitigkeiten oft gut beobachten, wobei ein Fernglas hilfreich sein kann. „Besucher des Gebiets sollten nicht einfach die Wege verlassen und an die Gewässerränder treten, um von dort aus einen besseren Blick auf die Vögel zu haben“, bittet Spieker. In dem Naturschutzgebiet herrscht ein Wegegebot, das sowohl für Menschen als auch für die sie begleitend en Vierbeiner gilt. Hunde sind somit an der Leine zu halten, um die Wildtiere nicht zu stören.
Mehr Informationen über die Natur in den Leinepoldern gibt es im Internet unter www.naturerlebnis-leinepolder.de. Bei Google Play gibt es die Android-Version der kostenlosen Gebietsführer-App “Naturerlebnis Leinepolder” und im Apple-Store die entsprechende Version fürs iPhone. Sowohl öffentliche als auch von Gruppen zu buchende Führungen bietet der Naturscouts Leinetal e.V. an, er ist unter www.naturscouts-leinetal.de im Web zu finden.
Informationen darüber, welche Vogel- und Säugetierarten in den Leinepoldern bereits beobachtet wurden, liefert www.naturgucker.de, das gemeinnützige Netzwerk für Tier-, Pflanzen- und Pilzbeobachtungen weltweit und strategischer Partner des NABU. Über 37.000 Aktive sind engagiert, mehr als 8,4 Millionen Beobachtungen und über 1,02 Millionen Naturbilder wurden hier bislang veröffentlicht.
Foto: Peter Reus