Einbeck (red). Der Europäische Aal ist der Wanderfisch schlechthin. Sein Laichgebiet liegt in der Sargassosee, einem Seegebiet im Westatlantik vor der Küste Nordamerikas. Ausnahmslos jeder Aal, der in den europäischen Gewässern lebt, wurde dort geboren und hat dementsprechend schon einen beachtlichen Weg dem Golfstrom folgend hinter sich gebracht. Weiter kommen sie jedoch in der Regel nicht, denn die ins Meer mündenden Flüsse sind häufig nur mehr Sackgassen, in denen sie ein Mix aus illegaler Glasaal-Fischerei und Querbauwerken erwartet. Glasaale sind in manchen Ländern eine Delikatesse und ein äußerst lukratives Schmuggelgut für den asiatischen Markt. Hindernisse wie Wehre, Staustufen und andere sogenannte Querbauwerke – allein in Deutschland sind es mehr 200.000 – versperren nicht nur jungen Aalen den Weg flussaufwärts. Um die Mittel- und Oberläufe der Fließgewässer zu erreichen, müsste eine Vielzahl von Querbauwerken überwunden werden. Fischwanderhilfen sind jedoch häufig nur unzureichend funktionsfähig, unterdimensioniert oder gar nicht vorhanden. Die konsequente Umsetzung der seit mehr als 20 Jahren bestehenden und auch gesetzlich verankerten Ziele der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union (EU), nämlich den guten ökologischen Zustand der Oberflächengewässer und des Grundwassers lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Der Aalbestand im Binnenland wird derzeit praktisch ausschließlich durch von Angel- und Fischereiverbänden organisierte umfangreiche Besatzmaßnahmen aufrechterhalten. In der Regel werden dabei Glasaale ausgesetzt, die im zeitigen Frühjahr, kurz nachdem sie die Küstengewässer und Flussmündungen erreicht haben, gezielt gefischt und weiter verteilt werden.
Mehr als 20.000 junge Glasaale haben die Mitglieder den Fischereivereins kürzlich in den Fließgewässern rund um Einbeck verteilt. Organisiert vom Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN) wurden Anfang März außerdem 200 weitere Angelvereine in Niedersachsen mit den durchsichtigen und etwa 6 bis 7 Zentimeter langen Fischen beliefert. Diese kamen quasi auf direktem Wege von der spanischen Atlantikküste. Das Besatzprogramm bietet den Aalen somit einen “Express-Aufstieg” ohne die Gefährdung durch Querbauwerke, Fressfeinde, Verschmutzungen usw. Die Überlebensrate während des Transports liegt bei annähernd 100 Prozent, und ähnlich hoch ist diese nach dem Aussetzen der Glasaale in ihren neuen Heimatgewässern. Allein in Niedersachsen besetzen die Mitgliedsvereine des AVN jährlich über 2,5 Millionen Aale in die von ihnen betreuten Gewässer. Das Land und die EU übernehmen die Hälfte der Kosten, die andere Hälfte trägt der Verein.
Etwa 15 bis 25 Jahre wachsen die Aale im Süßwasser heran. Ihr Lebensraum muss vor allem zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllen: ausreichend Nahrung und gute Versteckmöglichkeiten. Den Ruf des Aasfressers (Stichwort Pferdekopf in der Verfilmung des Grass-Romans „Die Blechtrommel“) bedienen Aale in den seltensten Fällen. Ganz im Gegenteil, denn sie sind wahre Feinschmecker, die lieber Schnecken, Muscheln, Insektenlarven oder andere Fische bevorzugen. Strukturreiche, dynamische Gewässer sind für den Aal und viele andere Fischarten der perfekte Lebensraum.
Die laichreifen Aale wandern als so genannte Blankaale wieder flussabwärts. Auch bei der zweiten großen Wanderung in ihrem Leben sind sie mit ernsten Gefahren konfrontiert. Insbesondere Wasserkraftanlagen mit unzureichendem Fischschutz, bei denen die Tiere in die Turbinen gelangen und ebenso die bereits erwähnte gezielte Fischerei Haut- und Nebenerwerbsfischerei auf abwandernde Aale verhindern die Erreichbarkeit der Laichgewässer. Mit dem Wechsel zurück ins Salzwasser und während der mindestens zweijährigen Wanderung quer durch den Atlantik treten hormonelle Veränderungen ein, die zur Reifung der Geschlechtsorgane und zur Bildung der Eier führen. Was genau schließlich in den Tiefen in der Sargassosee passiert und wie das Ablaichen vor sich geht, ist bisher tatsächlich nicht bekannt. Nach dem Ablaichen sterben die Aale.
Studien aus Schleswig-Holstein zeigen, dass 85 bis 95 Prozent der Aale in norddeutschen Gewässern mittlerweile aus Besatzmaßnahmen stammen. Trotz dessen werden die Bewirtschaftungsziele, nämlich die Abwanderungsrate von Blankaalen in den Nordseezuflüssen wieder auf 40 % des Niveaus von 1980 anzuheben, noch nicht erreicht. Seit Dezember 2022 besteht ein vom Fischereirat der EU erlassenes – und vielfach kritisiertes – totales Aalfangverbot für die Freizeitfischerei in den Meeres- und Küstengewässern. Für Berufs- und Nebenerwerbsfischer gilt dagegen ein lediglich sechsmonatiges Fangverbot, das die Hauptwanderzeit der Blankaale berücksichtigen soll, wobei das Zeitfenster von den Ländern individuell festgelegt werden kann. Der AVN kritisiert insbesondere, dass das Fangverbot ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage und Kenntnisse zum Einfluss einzelner Sterblichkeitsfaktoren für den Aalbestand erlassen wurde.
Zwar können Aale in der Aquakultur mittlerweile bis zur Laichreife gebracht werden und ebenso sind die Erbrütung der Eier und der Schlupf der Larven bereits gelungen. Allerdings nehmen die Larven kein Futter auf und sterben nach kurzer Zeit. Den kompletten Lebenszyklus des Aals in Gefangenschaft bzw. unter wirtschaftlichen Bedingungen nachzustellen ist bisher nicht gelungen.
Seitens der Angler bestehen neben den gesetzlich vorgeschriebenen so genannten Mindestmaßen noch weitergehende freiwillige Selbstbeschränkungen mit erhöhten Schonmaßen, Höchstfangmengen oder der Schonung großer laichreifer Aale. Dazu gilt seit einigen Jahren die von der EU festgelegte 3-monatige Schonzeit zur Hauptwanderzeit des Aals in den Herbst- und Wintermonaten. Die Entnahmemengen durch die Einbecker Angler liegen seit etwa zehn Jahren konstant bei etwa 150 Aalen im Jahr. Regelmäßige Bestandskontrollen in den Vereinsgewässern zeigen zudem, dass die Rekrutierung funktioniert und der Aal nach wie vor zum Arteninventar der Einbecker Gewässer gehört. Weitere Informationen zum Aal und zu den Artenschutzprojekten des Fischereivereins sind auf der Internetseite www.fischereiverein-einbeck.de zu finden.