Hullersen (red). Der 333-Seelen-Ort Hullersen liegt an der Ilme, etwa drei Kilometer westlich der Einbecker Kernstadt. Eigentlich schafft es das Dorf selten in die Schlagzeilen: Es sei denn, es wird eine neue Bank aufgestellt. Noch dazu, wenn sie als „Mitnahmebank“ fungiert. Aber so eine große Presseschar wie am Sonntag - die gibt es nur zu sehen, wenn der Landesbischof zu Besuch kommt. Oh ja, dann ist die Aufregung groß! Und noch eines kommt zum Vorschein: Wie aus einem kleinen Dorf eine eingeschworene Gemeinschaft wird.
Seit Sonntag hat der kleine Ort eine neue Bezeichnung inne. „Hullersen ist das Bethlehem der hannoverschen Landeskirche“, so betitelte Landesbischof Ralf Meister in seiner Predigt - mit Liveübertragung in drei Zelten. Denn es war ein mutiger Augustinermönch, der einen der ersten evangelischen Gottesdienste im heutigen Gebiet der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers feierte. Dies geschah im Jahr 1522 in dem kleinen Dorf Hullersen bei Einbeck. So sei der Ort, zeitlich betrachtet, also quasi an Platz 1b der reformatorischen Orte der hannoverschen Landeskirche. Grund zu feiern also!
Pastorin Anne Schrader, die durch den Gottesdienst führte, freute sich über die 200 Besucherinnen und Besucher aus Hullersen, Einbeck und dem Kirchenkreis. Ein extra für den Gottesdienst geschriebenes Anspiel in historischen Kostümen eröffnete den Gottesdienst. Pastor Daniel Konnerth und Superintendent Jan von Lingen schlüpften in die Rolle historischer Persönlichkeiten aus Hullersen, die im Jahr 1522 treu zu ihrem evangelischen Prediger Johannes Ebbrecht standen. Dieser mutige Mönch, Namens-Begründer des Pfadfinderstamms in Hullersen, wurde von einem „Namensvetter" gespielt, dem Pastor im Ruhestand Günter Ebbrecht aus Einbeck. Und als Pfadfinder der VCP, des Verbandes Christlicher Pfadfinder, gab sich auch der Landesbischof zu erkennen. „Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder!“, so heißt es schließlich.
Dazu bekennen sich auch Jasper, Justus, Lorenz und Jannes, die als Pfadfinder am Wochenende fleißig mithalfen. „Wir engagieren uns seit etwa 14 Jahren als Pfadfinder“, erklärt Jannes. Für sie stehen dabei drei Dinge im Mittelpunkt: Gemeinschaft, Freiheit und die Naturverbundenheit. „Dieses Gefühl, das Pfadfinder ausmacht, wird auch die nächsten Jahrzehnte bestehen bleiben. Es ist ein tolles Hobby - das weiß leider nur keiner, da es nicht so in der Öffentlichkeit steht“, finden die vier. Seit den Pfadfinder-Anfängen in Hullersen dabei ist Rüdiger Bechstein. „Pastor Reinhard Sorge hat den Stamm damals gegründet und uns Konfirmanden angesprochen. Benannt wurde der Pfadfinder-Stamm nach dem mutigen Mönch“, erinnert sich der Hullerser, der jetzt in Stuttgart wohnt, sich dem Heimatdorf aber stark verbunden fühlt. Ihm gehört auch die große Wiese, auf der die alljährlichen Zeltlager stattfinden, die die Kirchengemeinde Leine-Weper seit 24 Jahren veranstaltet.
„Die Wiese ist zu 95 Prozent von Wasser umgeben, was ihr einen ganz eigenen Charakter gibt“, erklärt Dirk Grundmann, Pastor in Moringen seit 24 Jahren. Das Erstaunliche: Die Zeltlagerwiese ist eine naturbelassene Wiese ohne jegliche Infrastruktur. „Alles Erforderliche wird von den Teamern vorher aufgebaut - von der selbst gebauten Ilme-Brücke bis hin zu den Zelten, Toiletten, einem 200-Quadratmeter-Aufenthaltszelt, Materialzelt und Lagerküche, sogar die Wasserversorgung“, so Grundmann. Der Fluss dient jedoch nicht nur dafür: Auch Surfbrett-Touren auf der Ilme gehören jedes Jahr zum festen Repertoire.
„Jedes Jahr finden zwei Zeltlager nacheinander dort statt, mit insgesamt 230 Kindern und Mitarbeitern. Sie haben inzwischen Kultstatus erreicht. Viele der beteiligten 40 Teamer sind bereits zum 10. oder 15. Mal dabei“, erklärt der Pastor, heute im T-Shirt, bis am Eingang des Zeltlagers das große Spektakel beginnt. Denn im Jahr des Reformationsjubiläums haben die Jugendlichen so originalgetreu wie möglich die Wartburg nachgebaut.
Ein kleines Anspiel zeigte anschaulich, wie die Wartburg und die entsandten kleinen Ritter mit Schwertern und Kampfklappen Martin Luther (alias Fabian Froböse mit Dackel Fluffy), und die dann beginnende Reformation schützte. Nach einem Rundgang durch das Camp und der Vorstellung des Hullersen-Liedes stellte der Landesbischof, sichtlich beeindruckt, folgendes fest: „Ich habe keine Ahnung, ob ich je nach Hullersen zurückkehre. Aber über Hullersen werde ich noch in 10 oder 15 Jahren Geschichten erzählen können.“ Denn: „Ihr seid hier im Geiste Gottes. Eine große, tolle Gemeinschaft. Das ist eine ganz tolle Botschaft! Und ich durfte für ein paar Minuten diese Gemeinschaft teilen.“ Großes Lob kam auch von Pastorin Anne Schrader: „So viel Aufregung! Danke für ganz viel Hilfe und Unterstützung - und eine beeindruckende Wartburg!“
Foto: Mareike Spillner