Einbeck (r). „Ihr seid Drehbuchautoren, Regisseure, Darsteller und Sprecher zugleich“, kündigt Medienpädagoge Lukas Gebhard aus Hamburg der Klasse SO1B der BBS Einbeck zu Beginn seines dreitägigen Filmprojekts verheißungsvoll an. Gemeinsam mit den Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Einbeck, Simone Engelhardt, und des Landkreises Northeim, Uljana Klein, dürfen sich 26 Schülerinnen und Schüler als vorübergehende Anti-Diskriminierungsbeauftragte erproben und zum vielschichtigen, sensiblen Thema sogenannte „Plain English Clips“ drehen. Hinter diesem Begriff verbergen sich kurze, neunzig sekündige Lehrfilme, in denen mit selbst gebastelten Papierfiguren und einfachen, klaren Dialogen auf spielerische Art anspruchsvolle Sachinhalte vermittelt werden sollen.
Am ersten Projekttag war an die technische Umsetzung noch nicht zu denken. Vielmehr stand eine kritische persönliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Phänomenen und Formen der Diskriminierung auf dem Plan. In Arbeitsgruppen sammelte die Klasse Schwerpunkte, zu denen sie anschließend Drehbücher mit provozierenden, problemhaltigen Szenarien entwarf. „In unserer Gruppe wollen wir auf wechselseitige Abhängigkeiten in einer funktionierenden Gesellschaft hinweisen“, erläutert Schüler Martin Brinkmann das Anliegen seiner Gruppe. Das Resultat im fertigen Film zeigt unterschiedliche Berufsgruppen, die ohne die jeweils andere nicht leben können. Ein Arzt, der sich nach Feierabend einen Salat zubereiten möchte, nimmt die Hilfe der Landwirte in Anspruch, während diese sich nach einer Verletzung bei der Ernte im örtlichen Krankenhaus behandeln lassen. „Die Botschaft ist simpel: Das Leben ist bunt und nur gemeinsam sind wir stark“, unterstreicht Schülerin Olga Schulz das Fazit des clever konstruierten Kurzfilms.
Auch bei den Ergebnissen der anderen Kurzfilme ist Abwechslung groß geschrieben: Eine junge Muslima sieht sich mit Vorurteilen ihrer Familie gegenüber ihrem Heiratswunsch konfrontiert und nur wenige Tische weiter arbeitet eine andere Gruppe engagiert an der Geschichte des fiktiven Schülers Nico Lauch, der sich schmalschultrig bei einer Dachdeckerei um einen Ausbildungsplatz bewirbt und zunächst deutlich artikulierte Ablehnung erfährt. Jeder Film endet mit einer harmonischen Auflösung der brisanten Situation, in der sich die Hauptdarsteller/-innen befinden und leitet zu fachlichen Schlussfolgerungen wie Statistiken über Diskriminierungserfahrungen von Minderheiten über.
Die Stellvertretende Schulleiterin Dörte Kirst-Bode, die gemeinsam mit Klassenlehrer und Teamleiter der Berufsfachschule Sozialpädagogische Assistenz, Daniel Vollbrecht, das Projekt koordinierte, zieht ein positives Resümee, verbunden mit einem Dank an die Kooperationspartner: „Die beiden Gleichstellungsbeauftragten haben gemeinsam mit Lukas Gebhard das Projekt wertschätzend und vor allem fachlich kompetent begleitet, so dass die Klasse ein Bewusstsein für Ungleichbehandlung und Ungleichheit herausbilden konnte“, stellt Kirst-Bode klar. Vollbrecht ergänzt: „Meine Klasse ist ohnehin eine lebensfrohe Gruppe, die kreativen Unterrichtsschwerpunkten aufgeschlossen begegnet. Die Akzeptanz verschiedener Lebenswege und die Sicht auf den einzelnen Menschen als selbstbestimmtes Individuum sind Werte, denen wir uns als Lehrkräfte auch im Rahmen unseres Unterrichts verpflichtet fühlen.“
Fast beiläufig wurde die Klasse auch in der Medienkompetenz geschult. Das Drehen, Schneiden und Vertonen der Filme erforderte gutes Timing, eine ruhige Hand und technisches Know-How. Letzteres war bei den angehenden pädagogischen Fachkräften, die nach Abschluss ihrer Ausbildung in Krippen, Kindergärten oder in der Ganztagsbetreuung im Hort arbeiten werden, schon erstaunlich gut ausgebildet. „Ich habe als Projektleiter zwar Ideen und technische Assistenz angeboten, war aber angesichts der teils fortgeschrittenen medienpädagogischen Kompetenz der Klasse sehr positiv überrascht“, berichtet Gebhard.
Ob die fertigen Clips als Beiträge für einen Filmwettbewerb eingereicht werden, wird in den kommenden Wochen in Absprache mit Klassenlehrer Vollbrecht entschieden. Für die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Northeim, Uljana Klein, steht ein Sieger jedoch bereits fest: „Die Schülerinnen und Schüler haben nicht nur sich selbst, sondern auch die Betrachter ihrer Kurzfilme für die vielfältigen Formen von Diskriminierung sensibilisiert. Dafür gebührt ihnen und der BBS Einbeck ein großer Dank.“
Foto: BBS Einbeck