Einbeck (zir). Am Sonntagabend gedachten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in Einbeck der Opfer der Reichspogromnacht. Das stille Erinnern begann bereits um 18.15 Uhr an vier Orten in der Innenstadt, an denen Stolpersteine an das Schicksal jüdischer Familien erinnern. Dort fanden im Rahmen der Aktion „Klang der Stolpersteine“ kurze Zusammenkünfte mit Musik, Texten und dem jiddischen Lied „Donna, Donna“ statt. Das von Aaron Zeitlin und Sholom Secunda geschriebene Stück erzählt sinnbildlich von Leid und dem Wunsch nach Freiheit und wurde damit zum emotionalen Auftakt des Abends.
Im Anschluss versammelten sich die Teilnehmenden an der Bismarckstraße, wo um 19 Uhr die zentrale Gedenkveranstaltung stattfand – gegenüber der Stelle, an der einst die Einbecker Synagoge stand, die während der Pogromnacht im November 1938 niedergebrannt wurde.
Erinnerung an die Schrecken von 1938
Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek erinnerte in ihrer Ansprache daran, dass vor 87 Jahren in Deutschland Synagogen, Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürgerinnen und Bürger gezielt zerstört worden seien. Die Gewalt sei nicht von Einzelnen, sondern mit Unterstützung von Behörden, Polizei und NSDAP ausgegangen. „Wir kommen jedes Jahr hier zusammen, um an dieses finstere Kapitel unserer Geschichte zu erinnern. Ein Schlussstrich darf niemals gezogen werden“, sagte Michalek.
Sie verwies auch auf die Herausforderungen der Gegenwart. „Wir leben in einer Zeit, die von Krisen geprägt ist – von der Pandemie über den Krieg in der Ukraine bis hin zum aktuellen Konflikt in Nahost“, betonte die Bürgermeisterin. Diese Ereignisse zeigten, wie brüchig Frieden und Zusammenhalt sein können. Der Gedenktag biete Gelegenheit, innezuhalten und Verantwortung zu übernehmen.
In einem späteren Teil ihrer Rede sprach Michalek über die Situation vieler jüdischer Menschen heute. „Viele empfinden, dass sie Tag für Tag ein Stück Sicherheit, Frieden und Freiheit verlieren“, sagte sie und machte deutlich, dass Toleranz und Mitmenschlichkeit Grundlagen einer stabilen Demokratie seien. „Unsere Gesellschaft muss diese Werte schützen, wenn sie bestehen will."
Junge Stimmen mahnen
Schülerinnen und Schüler der IGS Einbeck erinnerten an die Geschichte der Einbecker Synagoge, die 1896 erbaut und im November 1938 zerstört wurde. Sie gedachten der Menschen, die damals ihre Existenz, ihre Heimat oder ihr Leben verloren. Ihr eindringlicher Appell lautete: „Vergesst diese Zeit niemals.“
Gemeinsam gegen das Vergessen
Auch Vertreterinnen und Vertreter der Initiative Einbeck ist bunt erinnerten an die Bedeutung demokratischer Grundrechte. „Wir dürfen uns glücklich schätzen, in einer Zeit zu leben, in der Meinungsfreiheit und freie Wahlen selbstverständlich sind“, hieß es. Zugleich wurde gewarnt, dass gesellschaftliche Entwicklungen zeigen, wie schnell sich Intoleranz und Ausgrenzung wieder Raum verschaffen können.
Zum Abschluss der Gedenkstunde dankte Bürgermeisterin Michalek allen Beteiligten – dem Initiativkreis „Stolpersteine für Einbeck“, dem Förderverein Alte Synagoge, der IGS Einbeck, der Initiative Einbeck ist bunt, der Bläsergemeinschaft Kuventhal-Einbeck unter der Leitung von Ulrike Hastedt sowie allen Bürgerinnen und Bürgern, die durch ihre Teilnahme ein Zeichen für Erinnerung und Verantwortung setzten. Die Veranstaltung endete mit einer Kranzniederlegung am Mahnmal in der Bismarckstraße.
Fotos: zir