Northeim (red). Der Kinderschutzfachtag 2025 hat mit rund 400 teilnehmenden Fachkräften aus Jugendhilfe, Bildung, Gesundheit, Justiz, Vereinen und weiteren Arbeitsfeldern einen neuen Rekord erreicht. Die Veranstaltung am 26. November 2025 bestätigte ihre gewachsene Bedeutung als zentrales Forum für den regionalen Kinderschutz.
Anspruchsvolle Aufgaben im Fokus
Bereits die Einführung machte deutlich, wie herausfordernd Kinderschutz in der Praxis ist. Die pädagogische Leitung des Fachbereichs 31 der Sozialpädagogischen Dienste, Nina Eikenberg, und Jugendamtsleiterin Viktoria Bertram wählten einen selbstironischen Einstieg und beschrieben, was viele Fachkräfte nur zu gut aus ihrem Alltag kennen: „Gleichzeitig ist keine Zeitangabe, sondern ein Arbeitsmodus.“ Eikenberg verglich Kinderschutz mit einem Escape-Room – ein komplexes Rätsel, das hohen Einsatz erfordert, häufig ohne Hinweise oder Schlüssel. Bertram ergänzte: „Und trotzdem gehen wir nicht raus, bevor wir das Rätsel gelöst oder zumindest die Lage stabilisiert haben.“
Deutlich steigende Meldungen zu Kindeswohlgefährdungen
Die Verantwortlichen verdeutlichten, wie stark sich die Rahmenbedingungen verändern. Während im Vorjahr 120 Meldungen möglicher Kindeswohlgefährdungen eingingen, lagen die Zahlen im Jahr 2025 zum Stichtag des Fachtages bereits bei 175. Die Fälle aus der täglichen Arbeit des Jugendamtes sind darin nicht einmal enthalten.
„Das Thema ist hochaktuell, die Fallzahlen steigen und die Komplexität nimmt weiter zu“, erklärte Eikenberg. Bertram betonte die Notwendigkeit eines „professionellen, gut vernetzten und handlungssicheren Systems, das die Fachkräfte stützt“.
Schwerpunkt: Elterngespräche im Kinderschutz
Der diesjährige thematische Fokus lag auf „Elterngesprächen im Kinderschutz“. Der Hauptvortrag von Bernd Kasper, systemischer Berater und Kinderschutzfachkraft, bot praxisnahe Anregungen für anspruchsvolle Gesprächssituationen. Er hob die Bedeutung einer klaren inneren Haltung, empathischer Kommunikation und fachlicher Souveränität – auch unter Unsicherheiten – hervor. Die Balance zwischen Nähe und Klarheit wurde als zentrale Kompetenz im Kinderschutz herausgestellt.
Struktur als Schlüssel für Handlungssicherheit
Im Themenblock „Kinderschutz braucht Struktur“ stellten Eikenberg und Bertram wesentliche Elemente eines funktionierenden Systems vor: klare Prozessabläufe, institutionelle Verantwortung und ein gelebtes Kinderschutzkonzept. Bertram verglich dessen Nutzen mit einem Navigationssystem: Es fahre zwar nicht für die Fachkräfte, helfe aber zuverlässig, den richtigen Weg zu finden – und ermögliche es, insoweit erfahrene Fachkräfte im Kinderschutz zuzuschalten, wenn der Weg unübersichtlich wird.
Harald Rode, Dezernent für Jugend und Soziales, betonte: „Kinderschutz funktioniert nicht durch Einzelkämpfer im Solo, sondern am besten im Orchester.“ Struktur, Verlässlichkeit und Kooperation seien die entscheidenden Faktoren für eine gelingende Zusammenarbeit. Der Kinderschutzfachtag zeige eindrucksvoll, wie stark dieses Netzwerk im Landkreis Northeim inzwischen sei.
Markt der Angebote stärkt Vernetzung
Eine kompakte Übersicht über niedrigschwellige Hilfen und regionale Unterstützungsangebote bot der „Markt der Angebote“. Persönliche Ansprechpersonen, Materialien und kurze Beratungsgespräche machten die Stände zu einem besonders stark frequentierten Bestandteil der Veranstaltung.
Blick in die Zukunft: Fortbildungsoffensive angekündigt
In ihrem Ausblick kündigte Viktoria Bertram an, dass im ersten Quartal 2026 eine Fortbildungsoffensive für alle Personen starten soll, die beruflich oder ehrenamtlich mit jungen Menschen arbeiten. Die thematischen Schwerpunkte orientieren sich an den Rückmeldungen und Bedarfen, die im Rahmen des Fachtages erhoben wurden.
Harald Rode fasste den Tag zusammen: Der regionale Kinderschutz lebe von Menschen, die hinsehen, Verantwortung übernehmen und im Austausch bleiben. Die hohe Beteiligung zeige den gemeinsamen Willen, den Kinderschutz im Landkreis Northeim weiter zu stärken.
Foto: Landkreis Northeim